Entdeckung und Entwicklung der Silberionensperre lassen ein wenig an das Aussterben der Saurier denken, und vielleicht ist der Vergleich gar nicht so absurd, wie er auf den ersten Blick klingen mag. Erstens hat der Einsatz von Silber, wenn auch indirekt, zum Aussterben unter anderem der analogen Photographie beigetragen. Zweitens hat speziell die Silberionensperre gleichzeitig den Weg für viele neue Entwicklungen freigemacht, die das Entstehen ’neuer Arten‘ möglich gemacht haben.
Silber an sich hatte bereits zur Zurückdrängung für den menschlichen Organismus schädlicher Keime beigetragen, durch die noch bis Mitte des 19. Jahrhunderts chirurgische Eingriffe besonders in Krankenhäusern in den meisten Fällen das Todesurteil für den Patienten bedeutet hatten. Der englische Chirurg Joseph Lister hatte diese Keime – deren Existenz zu seiner Zeit von den meisten Kollegen noch bestritten wurde – anfangs mit Karbol bekämpft, womit er bereits nennenswerte Erfolge erzielte. Später traten andere Mittel zur Infektionsbekämpfung an dessen Stelle, unter anderem längere Zeit die Wundbehandlung mit silberionenhaltigen Mitteln, die aber anfangs bis Mitte des 20. Jahrhunderts ihrerseits wiederum von moderneren Mitteln abgelöst wurden.
Silberionensperre: Kolloidales Silber besitzt eine antimikrobielle Wirkung
Zum einen erbrachten sie zwar evidente klinische Erfolge, weil kolloidales Silber nachweislich eine antimikrobielle Wirkung besitzt und eine Reihe von Bakterien inaktivert; Zum anderen wurde aber nach und nach entdeckt, dass das Silber im Organismus seinerseits schädliche Wirkungen zur Folge hat. Heute ist der Einsatz von silberionenhaltigem Wasser zu Sterilisationszwecken speziell im Lebensmittelbereich, abgesehen von rein privatem Gebrauch, weitgehend verboten. Statt dessen haben Silberionen vor noch nicht langer Zeit in Laboren und Industrie einen in dieser Form unerwarteten Siegeszug angetreten, der sie, speziell in der Form von Silberionensperren, inzwischen buchstäblich unersetzlich macht.
Im menschlichen Organismus wirkt Nanosilber schädlich
Kolloidales Silber besteht aus winzigen Nano-Partikeln elementaren Silbers, das sowohl in schwer löslichen Verbindungen als auch in flüssigen Dispersionen verwendet wird. Silberwasser oder Silbersol werden diese Dispersionen auch genannt. Es ist nach wie vor unbestritten, dass diese Lösungen eine antimikrobielle Wirkung besitzen. Der oligodynamische Effekt, das ist eine Hemmung der Keimbildung, wurde auch bei anderen Metallen von Eisen und Blei über Wismut, Zinn und Kupfer bis hin zu Gold beobachtet. Der infektionshemmende Effekt ist also keineswegs nur Silber zu eigen (die silberhaltigen Dispersionen sind übrigens nicht mit Lösungen aus Silbersalzen zu verwechseln).
Silberionensperre: Zweifelhafte Anwendung in zahlreichen Kosmetika
Silber hat allerdings ebenso wie seine ‚Verwandten‘ den unerwünschten Nebeneffekt, dass es, über längere Zeit im menschlichen Organismus eingelagert, nicht wiedergutzumachende schädliche Folgeerscheinungen hat, wovon eine Dunkelverfärbung der Haut die harmloseste ist. Einlagerungen kolloidalen Silbers im Körper können verschiedene Organe schädigen und über das zentrale Nervensystem schwerste Störungen hervorrufen, die beispielsweise den Gleichgewichtssinn außer Kraft setzen und zu Krämpfen und Schwindelanfällen führen. Dennoch wird Nanosilber bis heute in Kosmetika und etlichen Wundauflagen verwendet.
Entsprechende Produkte werden sogar als ‚Allheilmittel‘ beworben, was als einigermaßen obskur erscheint, um es zurückhaltend zu formulieren. Trotz neuester Erkenntnisse dürfen stark verdünnte silberhaltige Präparate nach wie vor als Fertigarzneimittel in der Homöopathie verwendet werden. Sie sind allerdings als Arzneimittel zu kennzeichnen, und das, obwohl eine medizinische Wirksamkeit (abseits der Infektionshemmung) oder ein irgendwie gearteter gesundheitlicher Nutzen nicht nachgewiesen werden konnte.
Verschiedene Firmen, die solche Präparate bewarben und vertrieben, wurden in der Vergangenheit von Behörden in Europa und den Vereinigten Staaten abgemahnt und der Vertrieb als Verstoß gegen die Arzneimittelgesetze geahndet.
Nanosilber steht inzwischen sogar im Verdacht, für bestimmte Allergien mitverantwortlich und sogar krebserregend zu sein. Obendrein ist nachgewiesen worden, dass viele Mikroorganismen, die ursprünglich silberempfindlich sind oder waren, nach und nach silberresistent werden können, so dass sich ihr Einsatz spätestens dann von selbst verbietet. Eine positive Wirkung von Nanosilber in Kosmetika konnte ebenfalls nie nachgewiesen werden, was die Hersteller keineswegs daran hindert, weiterhin nanosilber-haltige Produkte ungeniert anzupreisen.
Trinkwasser-Entkeimung in Tanks von Wohnmobilen
Ein Sonderfall ist die Wohnmobilbranche. In diesem Bereich wurde Nanosilber bis vor noch nicht langer Zeit Zum Entkeimen von Trinkwasser in den in Wohnwagen eingebauten Wasserbehältern verwendet (ebenso wie es das Wasser in Swimmingpools entkeimen sollte). Gewerblichen Wohnwagenvermietern ist das heute verboten. Für rein private Zwecke dürfen Verbraucher solche Produkte weiterhin verwenden. In streng reglementierten Ausnahmefällen dürfen silberhaltige Präparate nach wie vor zum, wie es in einem Gesetzestext heißt, „nichtsystematischen Gebrauch“, also nur vorüberehend und ausnahmsweise, eingesetzt werden. Einige Produkte sind auch heute noch zur Desinfektion von Trinkwasser erlaubt.
Im Messbetrieb ist die Silberionensperre unersetzlich
Abseits der negativen Auswirkungen auf den menschlichen Organismus, sowohl bei innerer als auch bei äußerer Anwendung, sind Silberionen dagegen in ganz anderen Bereichen unverzichtbar. Das gilt besonders für den Messbetrieb in Laboren in Medizin und Industrie. Zum entsprechenden Gebrauch als Diaphragma (nicht zu verwechseln mit dem Diaphragma für die weibliche Empfängnis-Verhütung), also als Diffusionssperre, ist die sogenannte Silberionensperre 2007 zum Patent angemeldet worden. Andere bedeutende Anwendungen finden sich im optischen Bereich, im Baubereich und in der Architektur allgemein, und sogar in Kläranlagen.
Noch nicht vollständig klar ist, ob sich Silberionensperren auch zur Herstellung von dauerhaft haltbaren optischen Datenspeichern eignen. Sie bieten sich zwar (siehe weiter unten) dafür an, gelten aber als nur eine von mehreren Alternativen für diesen Zweck, wobei die Forschungen, welche die am besten geeignete sein mag, am Laufen sind.
Und ewig grüßt das verstopfte Diaphragma…
Zum Messen des ph-Wertes zum Beispiel von bestimmten Flüssigkeiten werden Elektroden benutzt, die ein Diaphragma zur Abweisung unerwünschter Fremdstoffe benötigen. Diese Diaphragmen hatten in der Vergangenheit die unschöne Angewohnheit, immer wieder durch ausgefällte Fremdstoffe verstopft zu werden. Dadurch, noch zusätzlich verstärkt durch unkontrollierte Temperaturschwankungen, wurden die vorgenommenen Messungen mit der Zeit immer ungenauer. Für alle Prozesse chemischer wie biotechnologischer Art sind ph- ebenso wie Temperaturmessungen absolut unverzichtbar, weshalb das beschriebene Problem bis 2007 eine ernsthafte Komplikation im Laborbetrieb darstellte.
Die Nahrungsmittelindustrie ebenso wie die Pharmazie und andere Branchen benutzen seither Messelektroden, die konsequent mit Silberionensperren ausgestattet sind.
Nicht immer, aber immer öfter sind sie zusätzlich mit integrierten Temperaturfühlern versehen, was die Messgenauigkeit zusätzlich erhöht. Da chemische wie biologische Prozesse fast immer temperaturabhängig schwankende Ergebnisse erzeugen, ist der Nutzen dieser Kombination Silberionensperre und Temperaturfühler leicht zu erkennen. Integrierte Temperaturfühler mit zusätzlicher Temperaturregelung samt der Silberionensperre sind heute selbstverständliche Bestandteile von Glaslelektrodenköpfen, die zur ph-Messung benutzt werden. Neben der Temperaturmessung selbst ist die ph-Messung die älteste Messmethode überhaupt und von jeher die am häufigsten angewandte Messung in Laboren aller Art.
Silberionensperren verhindern Umwelt- und Materialschäden
Ein korrekt ermittelter ph-Wert hilft auch, Umwelt- und Materialschäden zu verhindern, wenn bei Überschreiten eines bestimmten Wertes ein Alarm ausgelöst wird. Bis zur Entwicklung der Silberionensperre waren diese Messungen (siehe oben) immer ein wenig zufallsabhängig. Das ist seither nicht mehr der Fall. Die Silberionensperre ist sterilisierbar, stabilisiert den Nullpunkt, kann mit je nach Bedarf verschiedenen Temperaturfühlern verwendet und an alle üblichen ph-Transmitter angeschlossen werden, und sie besitzt eine niedrige Impedanz.
Dadurch, dass sie das Verstopfen des Diaphragmas verhindert, verlängert sie dessen Lebensdauer und trägt so wesentlich zu einer Kostenreduzierung bei, von dem Ärger des ständigen Kontrollieren- und Auswechselnmüssens ganz abgesehen. Eine höhere Standzeit, eine längere Lebensdauer der verwendeten Elektroden, bedeutet für den Benutzer eine deutliche Verringerung der Betriebskosten.
Wer hat’s erfunden? Nein, nicht die Schweizer, sondern ein Japaner
Einer der für Entwicklung und Einsatz der Silberionensperre entscheidenden Wissenschaftler war der Japaner Tetsuo Yazawa. Er leistete einen wesentlichen Beitrag dazu, ausgerechnet im Baubereich eine die Umwelt schonende Entwicklung einzuleiten. Es ging um die automatische Abdunklung und Wiederaufhellung von Glas. Von Sonnenbrillen ist das dem Verbraucher hinreichend bekannt, ohne dass er im Allgemeinen ahnt, wie das funktioniert. Es gibt neben den ’normalen‘ auch elektrochrome, thermotrope und photochrome Gläser. Thermotrope Gläser trüben sich bei Lichteinfall milchig ein, was weder bei Sonnenbrillen noch bei Fensterscheiben Sinn macht.
Elektrochrome Gläser können per Knopfdruck umgeschaltet werden von Abdunklen auf Erhellen und umgekehrt, benötigt aber einer nicht unerheblichen Stromzufuhr. Photochrome Gläser, die besonders für die Herstellung von Sonnenbrillen benutzt werden, dunkeln sich bei Lichteinfall automatisch ab. Zwei Probleme gibt oder besser: gab es. Die Herstellung solcher Gläser war für industrielle Zwecke gegenüber simplem Fensterglas vergleichweise sehr teuer, was bei Sonnenbrillen freilich kaum ins Gewicht fällt. Außerdem war speziell für die Herstellung von photochromen Scheiben früher der Einsatz von Halogenen notwendig. Solange das Glas unbeschädigt ist, spielt das keine wirkliche Rolle.
Sobald solche Gläser allerdings brechen, werden die Halogene freigesetzt, und das ist ein echtes Problem, denn Halogene sind gesundheitsschädlich bis hin zu dem Verdacht, dass sie krebserregend sein könnten.
Dem japanischen Wissenschaftler Tetsuo Yazawa und seinem Team gelang es, durch die Verwendung von Silberionesperren die Halogene zu ersetzen. Die Silberionensperre sorgte außerdem dafür, dass sich das Glas, sobald die Sonneneinstrahlung abnahm, von selbst wieder erhellte, was vorher ziemlich kompliziert anderweitig erreicht werden musste. Vereinfacht liegt das daran, dass sich unter bestimmten Bedingungen (zunehmender Lichteinfall) Ionen an die Silberatome anlegen und das Glas dadurch abgedunkelt wird. Sobald sich die äußeren Bedingungen umkehren, lösen sich die Ionen wieder von den Atomen, und das Glas erhält seinen vorherigen Zustand zurück.
Die Sperren können viel, aber nicht alles
Was die Verwendung photochromer Scheiben unter Einbeziehung von Silberionensperren bei der Verglasung ganzer Gebäude angeht, gehen die Ansichten noch relativ weit auseinander. Im Allgemeinen wird davon ausgegangen, dass photochromes Glas eher nicht in dem Maß zur Energieeinsparung beitragen kann (die neben der angenehmen Abdunklung von Räumen bei grellem Sonnenlicht angestrebt wird) wie thermotropes Glas. Die Betonung liegt aber auf ‚im Allgemeinen‘, denn es gibt Situationen, in denen dies eben doch der Fall ist. Es kommt auf die jeweilige Situation an. Die Forschung läuft. Im Bereich der optischen Datenspeicher ist bisher noch keine praxistaugliche Entwicklung vorhanden.
Hier spielt sich alles noch mehr oder weniger im Bereich der Theorie ab. Mal hieß es, solche optischen Datenspeicher stünden kurz vor dem Durchbruch, mal wurde dieser Optimismus dadurch gedämpft, dass andere klassische Speichermedien plötzlich wieder einmal deutlich gewachsene Speicherkapazitäten erzielten. Die Unterbringung auch unter Dauerbelastung funktionierender haltbarer Elektroden macht nach wie vor Probleme. Für manche Fälle ist inzwischen Gel-Elektrolyt im Gespräch.
Die Silberionensperre garantiert das Funktionieren der Referenzelektrode
Zur ‚Wunderwaffe‘ bei der ph-Messung ist die Silberionensperre deshalb geworden, weil es erst durch sie möglich geworden ist, eine Referenzelektrode zu entwickeln, die ihrem Zweck auch wirklich gerecht wird. Mit Referenzelektrode ist gemeint, dass diese Elektrode stets eine genaue und konstant feste Bezugsspannung abliefert. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass auch wirklich immer alle Messergebnisse mit einem ganz bestimmten gleichbleibenden Ausgangswert verglichen werden können. Die Verwendung eines silberionenfreien Elektrolyten erzielt eine Sperrwirkung dadurch, dass die Silberionen, welche die Tendenz haben, aus der Elektrode in die Patrone abzuwandern, zu Silber reduziert und an dem Metall der Sperre abgeschieden werden.
Ein spezielles anorganisches oder organisches Reduktionsmittel kann den Prozess ergänzen. Welcher Stoff am besten als Reduktionsmittel eingesetzt werden sollte, hängt vor allem mit dem zu erwartenden Verschmutzungsgrad zusammen. Besonders bei biotechnischem Einsatz muss darauf geachtet werden, dass keine toxischen, also für den Organismus schädlichen Ionen erzeugt werden.
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