Berufskraut wird bei uns häufig als Unkraut verachtet oder einfach übersehen. Im 17. Jahrhundert kam das Berufskraut nach Europa und breitete sich aus. Die indigenen Völker Nordamerikas nutzten die Pflanze zur „Berufung“ von Schutzgeistern. Anbau oder besser Sammlung und Nutzung des Heilkrautes sind sehr einfach.
Erigeron und Conyza: Berufskräuter dieser Welt
Beide botanische Klassen beschreiben im Grunde ähnliche Pflanzen. In der Fachliteratur finden sich Überschneidungen bei den Klassifizierungen, die für den Laien und Gartenfreund nicht weiter von Bedeutung sein müssen. Die Erigeron, die rund 400 Arten umfassen, gedeihen in gemäßigten Zonen vorzugsweise in Nordamerika. Als Conzya werden in der Regel die subtropischen bis tropischen Arten bezeichnet, die fast alle in Südamerika zu Hause sind. Dennoch wird das Kanadische Berufskraut aufgrund einer alten Klassifizierung oft als Conzya canadensis bezeichnet. In unseren Breiten gibt es noch das etwas zierlichere einjährige Berufskraut (Erigeron annuus), das vermutlich ebenfalls aus Nordamerika zu uns kam.
In manchen Literaturen wird das einjährige Berufkraut auch als „heimisch“ eingeordnet. Alle Berufskräuter gehören zu den Korbblütern und Asternartigen.
Kanadisches Berufskraut (Conyza canadensis)
Das Kanadische Berufskraut kam ab dem 17. Jahrhundert durch den Menschen nach Europa. Durch seine Vermehrungsfreudigkeit und anspruchslose Art, hat es sich seitdem rasant verbreitet. Nicht nur bei uns, sondern fast auf der ganzen Welt wächst das Kanadische Berufskraut überall dort, wo es sandige und stickstoffhaltige Böden gibt. Es liebt zwar die Sonne, trotzdem bevorzugt das Kanadische Berufskraut aufgrund seiner Herkunft gemäßigte Zonen. Es gedeiht bis in den hohen Norden, überall dort, wo die Temperaturen zur Wachstumszeit regelmäßig 20°C oder mehr erreichen.
Auch im Mittelmeerraum ist es verbreitet und im Osten in allen Zonen mit gemäßigtem Klima zu finden.
Bevorzugte Standorte sind Schuttplätze, Geröllablagerungen und in Ritzen von befestigten Böden, innerhalb von Städten, auf Verkehrsinseln sowie Baulücken und Brachflächen. Dort, wo andere Pflanzen aufgrund der hohen Erosion keinen Halt finden, sichert sich das Berufkraut einen Standort. Möglich macht das die bis zu einem Meter Tiefe Wurzel. So tief stehend kann das Berufskraut auch trockene Phasen gut überstehen. Bei uns gilt das Berufskraut aufgrund der rasanten Ausbreitung als „invasiver Neophyt“ und steht unter Beobachtung.
Einjährige Berufkraut (Erigeron annuus)
Das einjährige Berufskraut wird in der Fachliteratur als feiner blühend, unauffälliger und weniger invasiv beschrieben. Je nach Standort und Bodenbedingungen können das Kanadische Berufskraut und das einjährige Berufskraut so ähnlich aussehen, dass Nicht-Biologen keinen Unterschied erkennen können. Manchmal werden die bei uns vorkommenden Berufskräuter sogar in neun verschiedene Arten unterteilt. Die eigentlich interessante Eigenschaft als Heilkraut oder Küchenpflanze ist jedoch dieselbe.
Steckbrief des Kanadischen und einjährigen Berufskrautes
- Standort: sonnige, sandige oder karge Böden
- Wuchshöhe: 25 – 110 cm
- Blüte: weiß mit gelbem Zentrum (ähnlich dem Gänseblümchen)
- Blütezeit: Juni – Oktober
- Winterhart: ja
- Mehrjährig: ein- bis zweijährig
- Vermehrung: ungeschlechtliche Aussaat (Apomixis)
- Verwendung: Zierpflanze, Küchenpflanze, Heilpflanze
- Andere Bezeichnungen: Kanadische Dürrwurz, Kanadisches Greiskraut, Katzenschweif, Weißes Berufskraut oder Feinstrahl.
Die Bedeutung als Heilpflanze
In den mitteleuropäischen Heilkräuterverzeichnissen fehlt das Berufskraut völlig. Das liegt ganz einfach daran, dass die meisten Verzeichnisse aus dem Mittelalter stammen und die basierten auf dem Wissen der Antike. Zu keiner dieser Zeiten war das Berufskraut in Mitteleuropa bekannt. Die Heilwirkungen wurden erst in der Neuzeit über die indigenen Völker Nord- und Südamerikas verbreitet. Dort nutzte man das Berufskraut als Durchfall mittel und zum Stillen von innerlichen sowie äußerlichen Blutungen. Es kann harntreibend und damit entgiftend wirken. In der Frauenheilkunde wurde es zur Regulierung der Monatsblutung und zur Förderung der Fruchtbarkeit genutzt. Sogar gegen Typhus soll es eine gewisse Wirksamkeit haben.
Die eigentliche Nutzung des Berufskrautes war im Schamanismus und der Geisterheilkunde der Naturvölker eine ganz andere: In der Sichtweise dieser Menschen hat das Kraut eine stark schützende Eigenschaft. Man hängte es vorzugsweise über die Krippe von Kindern, die von bösen Geistern befallen schienen und auffallend viel schrien. Wirksam soll auch gegen Flüche und Besetzungen von Negativität aller Art sein. Der Name Berufskraut leitet sich im Zusammenhang mit dieser spirituellen Verwendung von „Berufen“ im Sinne von „Anrufen“ der Geister und Schutzkräfte ab.
Die moderne Naturmedizin verwendet das Kraut vorzugsweise bei hormonell bedingten Wechseljahresbeschwerden, als Spülung (Tee) bei Zahnfleischbeschwerden sowie frisch oder als Paste für kleine, blutige Verletzungen. Als wirksame Substanzen gelten: Beta-Sitosterol (ähnelt dem Östrogen), Gerbstoffe, Gerbsäure, ätherische Öle, Citronella, Linalol, Flavone, Cholin und Kaffeesäure.
Anbau und Sammlung
Als äußerst vermehrungsfreudige Pflanze kann ein Exemplar 25.000 Samen und mehr streuen. Dazu braucht es keinen besonderen Befruchtungsmechanismus oder einer Verschmelzung von einzelnen Komponenten. Diese als Apomixis bezeichnete Form der Fortpflanzung erzeugt Pflanzen, die genetisch absolut identisch sind. In vielen Ländern Mitteleuropas wird das Berufskraut von den Naturschutzbehörden streng überwacht. Noch ist nicht ganz sicher, ob sich die Pflanze wirklich negativ auswirkt und heimische Arten verdrängt. Immerhin besetzt es in der Natur meistens Nischen, die von wenigen oder gar keinen anderen Pflanzen besiedelt werden.
Gärtner und Pflanzenliebhaber sollten das Berufskraut besser nicht im eigenen Garten gezielt anbauen. Es ist viel sinnvoller das Kraut zu Heil- oder Genusszwecken wild zu sammeln. Hat es sich einmal im Garten etabliert, kann es sich schnell ausbreiten. Wer ein bisschen auf Geröllhalden, Bauplätzen und ähnlichen Brachen sucht, wird sehr bald auf das Berufskraut treffen und kann fast ohne Arbeit an die Ernte gehen.
Berufskraut ist auch in der Küche lecker
Das während der Blüte gesammelte Kraut enthält die ätherischen Öle Citronella und Linalol. Als frische Beigabe zu Salaten, Suppen oder der kalten Küche verleiht es eine zart duftige Komponente. Die jungen Blätter eignen sich hervorragend für Kräuterquarks und Gemüsegerichte oder das Ansetzen eines würzigen und duftigen Kräutersalzes.
Gartentipps rund um das Berufskraut
Hat sich das Berufskraut im Garten ausgebreitet und droht zur Plage zu werden, hilft das Ausreißen der ganzen Pflanze nach feuchter Witterung. Dann ist der Boden weich und die bis zu ein Meter tief im Erdreich steckende Berufspflanze kann gelöst werden. Am besten gelingt das Entfernen, wenn die Pflänzchen noch ganz jung sind. Direkt im Anschluss können die Blätter in der Küche, als Duftstoff oder Heilmittel verwendet werden.
Wer jetzt überzeugt ist, dass Berufskraut „böse Geister“ fernhält und daher gerne einige Pflanzen stehen lassen möchte, sollte es einfach vor der Blüte ernten. Liegen die abgeschnittenen Pflanzen herum, werden sie sehr wahrscheinlich trotzdem noch die Fruchtreife erreichen und Samen streuen. Wer die Pflanze nicht nutzen mag entsorgt sie also am besten sofort im Kompost oder verbrennt sie.
Ernte als Heilpflanze oder zur Teebereitung
Zu Heil- und Genusszwecken wird die Pflanze immer jung genutzt. Geerntet wird entweder vor oder bei gerade beginnender Blüte.
- Zubereitung von Berufskraut-Tee
Tee wird mit frischen oder getrockneten Blättern und Blüten zubereitet. Dazu übergießt man eine beliebige Menge des Krautes mit Wasser und lässt es zehn Minuten ziehen. Um eine heilsame oder wohltuende Wirkung zu erzielen, sollten drei Tassen Berufskraut-Tee täglich genossen werden.
- Berufskraut Tinktur
Dazu eignen sich 40 % Vol. Spirituosen ebenso wie der 70 % Vol. Alkohol aus der Apotheke. Ein Schraubdeckelglas wird halb mit frisch gesammeltem Pflanzenmaterial (Blätter und Blüten) gefüllt und dann mit Alkohol übergossen. Die Pflanzenteile sollten komplett von Alkohol bedeckt sein. Die Zubereitung ruht zwei bis sechs Wochen an einem warmen und leicht sonnigen Ort. Im Anschluss wird das Pflanzenmaterial entfernt. Die Tinktur hält sich mindestens ein Jahr. Je weniger Pflanzenreste enthalten sind, umso haltbarer ist die Tinktur. Bei Schmerzen, Menstruationsbeschwerden oder Fruchtbarkeitsthemen werden der Unterleib beziehungsweise die betreffende Stelle mit der Tinktur eingerieben.
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